Adresse
Musik Biedermann
Öffnungzeiten
Dienstag - Freitag: 09.00 - 12.00 Uhr / 15.00 - 18.30 Uhr
Samstag: nach Vereinbarung
Montag: geschlossen
Von Tuten und Blasen eine Ahnung Bericht Thomas Pfann Dietiker Ziitig 2.12.21
Wer auf der Zürcherstrasse Richtung Dietiker Zentrum unterwegs ist, entdeckt links bei der Abzweigung in die Urdorferstrasse etwas Neues: Einen Laden, der sein Gesicht komplett verändert hat. Wo früher Saxofone, Gitarren, Keyboards und Schlagzeuge im Schaufenster standen, glänzen jetzt Wasserpfeifen. Da war doch während gefühlt einem Jahrhundert das Musikhaus Biedermann, oder? Hat Dietikons letzter Musikalienhandel aus dem letzten Loch gepfiffen und ist nun sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden? «Ich beobachte fast jeden Tag, wie jemand beim Ladenlokal parkiert, verwundert vor der Tür steht und die zahlreichen «Shishas» hinter dem Glas bestaunt. Dann werfen die Leute einen neugierigen Blick in die Umgebung - und sofort erhellen sich ihre Gesichter. Wir sind ja noch da, einfach auf der Strassenseite gegenüber», sagt Theddy Biedermann lachend. Die Musik spielt vor allem online Der Multimusiker, Musiklehrer und Geschäftsführer war noch nie ein Kind von Traurigkeit und hatte sich schon vor über einem Jahr entschieden, den Standort zu wechseln und seinen Laden zu verkleinern. Praktisch, dass sowohl die ehemalige Liegenschaft wie auch diejenige, in dem sich das kleine Geschäft nun befindet, demselben Eigentümer gehören. «So ging der Umzug problemlos vonstatten. Wir haben uns daraus keinen Stress gemacht», blickt Theddy Biedermann zurück. Der Zeitpunkt für eine Veränderung drängte sich aus verschiedenen Gründen auf. Die grosse Baustelle wegen der Limmattalbahn direkt vor dem Ladeneingang, das ewige Auf und Ab wegen der Corona-Pandemie und den dadurch stark reduzierten Schul und Konzertbetrieb und die allgemeine Marktsituation haben das ihre dazu beigetragen. Denn längst haben es kleiner Detailhändler schwer, gegen die Konkurrenz im Internet anzukommen. Beim Handel mit Musikinstrumenten ist das Phänomen besonders frappant: «Gewisse Instrumente kann man Online günstiger kaufen als ich sie zum Einkaufspreis erhalte. So kann man nicht geschäften. Einzig mit einer guten Beratung können wir uns einen Vorteil erschaffen, dafür sind Kundinnen und Kunden sehr dankbar», erklärt er. Im schmucken, neuen Ladenlokal mit zwei Schulräumen gibt es noch immer eine gute Auswahl an Instrumenten und Zubehör, vom Saxophonplättchen über Gitarrensaiten bis zu elektronischen Geräten. Und weil Theddy Biedermann fast alle Instrumente im Laden beherrscht, ist eine Beratung für die Kundschaft ein «livehaftiges» Erlebnis. «Ausser Klavierspielen, das konnte ich nie richtig», lacht er wieder. Eigentlich seltsam, denn gerade das Tasteninstrument ist für Musikanfänger wegen der guten Übersicht über alle Töne doch recht praktisch zu erlernen. Tasten und Knöpfe waren dennoch seine erste Passion in der Musik. Theddy entschied sich im Alter von neun Jahren fürs Akkordeonspielen. Sein Vater betrieb an der Zielackerstrasse in Dietikon bereits ein kleines Musikgeschäft und war selbst leidenschaftlicher Instrumentalist, der sein Können als Autodidakt erlernt hatte. Der Sohn setzte jedoch auf eine fundierte Ausbildung, machte eine Lehre als Musikalienhändler in einem Zürcher Musikhaus und studierte parallel dazu am Konservatorium in Winterthur. «Damals musste man das Studium auf dem Knopfakkordeon, auf der diatonischen Handorgel und auf dem Klavierakkordeon abschliessen. Das war echt hart, zumal ich mit dem Notenlesen lange Zeit auf Kriegsfuss stand und viel mehr nach Gehör Musik machen konnte und wollte», erinnert er sich. Erst im Verlauf seines Studiums lernte er das Lesen ab Blatt und begann auch Stücke zu schreiben und zu arrangieren. Schon bald gings dann los mit der engagierten Konzertaktivität in verschiedenen Formationen. Zuerst zusammen mit dem Orchester seines Vaters, der Volksmusiker Vereinigung Limmattal (nachher Unterhaltungs-Orchester Limmattal), dann mit dem eigenen Quartett «Top Ten» stand Theddy Biedermann fast jedes Wochenende auf irgendeiner Bühne in der Schweiz und machte Tanzmusik. Dafür war ein grosses Repertoire nötig und auch Ausdauer, denn die Nächte waren lang. «Manchmal fuhren wir im Sommer bei Tageslicht los zum Auftritt und kamen am Morgen zurück, als schon wieder die Sonne schien. Das Musikerleben war nicht immer nur ein Zuckerschlecken.» In den 70er-Jahren übernahm Theddy das Geschäft und die Musikschule des früh verstorbenen Vaters, zog an die Adresse an der Ecke Zürcherstrasse/Urdorferstrasse und machte dort über 40 Jahre lang alles, was mit Musik zu tun hatte. Den Musikunterricht besuchten sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene, lernen konnten sie bei Theddy Biedermann und seinem Lehrerkollegium Saxofon, Klarinette, Trompete, Posaune, verschiedene Handorgeltypen, Gitarre und sogar Schlagzeug. «Ich war lange Zeit Tambour bei der Stadtjugendmusik Dietikon. Dort habe ich auch Gefallen gefunden an der Orchestermusik und habe selbst eine Big Band, die «Big-Sounders» gegründet die zum teil aus Mitgliedern des Unterhaltungsorchesters Limmattal bestand, sagt er. Das Soundvolumen grosser Bläsersätze, die Kunst des Arrangierens, das Zusammenspiel verschiedener Register – all das fasziniert ihn noch heute. Und weil er es eben immer gerne lustig hatte und fürs Leben gerne Musik machte, rief er einst noch die Guggenmusik «Schnierliwutz» ins Leben. Auf die genaue Wortdeutung der kakophonischen Truppe möchte er nicht eingehen, denkt aber gerne an die 35 turbulenten Jahre zurück, als sie lautstark und seltsam gewandet durch die Fasnächte zogen und allerlei spassige Dinge erlebten. Noch immer auf der Bühne aktiv Nach und nach hat Theddy Biedermann die Aktivitäten der verschiedenen Orchester eingestellt, nicht zuletzt, weil er selber noch andere Hobbys pflegt. In seiner Freizeit fährt er mit seinem BMW Motorrad durch ganz Europa und ist oft in den Schweizer Bergen unterwegs. «Früher war ich noch Deltasegler. Aber irgendwann wurde es dann schon etwas zuviel, mit Familie, dem Geschäft und der Musikschule.» Und eigentlich wäre er bereits pensioniert. Aber einmal Musiker bedeutet immer Musiker. Darum betreibt er den Laden vor allem, weil er Freude daran hat. «Wenn die Baustelle fertig ist und die Limmattalbahn endlich fährt, haben wir es super hier.» Musikunterricht erteilt er weiterhin privat und an der Musikschule Dietikon als Schwyzerörgelilehrer. Und auch live ist Theddy Biedermann noch immer zu hören, an Festen und Anlässen mit seiner Formation «sälte nüechter». «Der Name der Combo tönt schlimmer, als er ist. Wir stehen selbstverständlich topfnüchtern auf der Bühne», versichert er.